Rhetorikführer durch die deutsche Diskurslandschaft
von SlämSchläm
(Es gibt gerade einfach nicht genug Arbeitsrechtsthemen. Kein Leak, keine Skandale, xxxxxist eh im Urlaub, was soll ich da schreiben?)
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zum Begriff Strafsteuer
I. Die CDU wehrt sich gerade gegen den Vorschlag, Fleisch mit dem normalen Mehrwertsteuersatz zu besteuern.
a
Das hieße streng genommen nicht eine höhere Steuer einzuführen (19 % ist Standart, außer für Dinge des täglichen Bedarfs) sondern das Fleisch zum Luxusgut zu erklären.
aa
Luxus. Was ist das? Houellebecq weiß eine Antwort: Jakobsmuscheln und Kaviar. Also besonders seltene und teure Produkte
Die Kategorien selten und teuer sind jedoch nicht gerade trennscharf. Denn wie selten ein Produkt ist, entscheidet der Markt: Wird es öfter nachgefragt, wird es öfter produziert. Und wenn es im Vergleich zu der Nachfrage zu oft produziert wurde, muss zwangsläufig der Preis fallen.
Eine bessere Kategorie wäre doch der Grad der Weiterverarbeitung.
bb
Haben Sie sich schon mal gefragt, wie viele Liter Wasser verbraucht wurden, um ein halbes Kilo Fleisch herzustellen? Wie viele volle Kuh-Euter in einem Laib Käse stecken. Weitere Frage möchte ich beantworten, weil ich an der Landwirtschaftsschule einen Abschluss gemacht habe. Wenn Sie heute auf eine Alm in der Schweiz gehen, werden 40 Kühe ca. 200 Liter Milch geben, das sind nicht mehr als 4 Laib Käse. Nochmal zum Mitschneiden: 8 h Arbeit (Mensch) 12h Arbeit (Tier) hervorbringen ein Produkt, dass man für ca 100 Euro im COOP kaufen kann.
cc
Was bedeutet der hervorgehobene Satz nun
1. Für den Mensch (a Produzent b Konsument)
2. Für das Tier ?
1a
100 € Lohn für 8h Arbeit entspricht einem Stundenlohn von 12,5 €. Ich muss nicht erklären, dass man damit gerade so eine Familie ernähren kann. Jedoch ist dies der Preis, den der Konsument zahlt. Tatsächlich ist die Molkerei, welche außer Vertrieb NICHTS LEISTET, die Profiteurin. Der Milchbauer*In kriegt einen Hungerlohn.
1b
Man kann es nicht anders formulieren: Der Konsument verzehrt ein hoch verarbeitetes Produkt und bezahlt einen Spottpreis. Das passt nicht zusammen. Er profitiert einzig und allein von der Marktmacht der Molkereien und deren Niedrigwucher (engl. "Dumping"). Ich würde ihn, Vorsatz einmal unterstellt, als unmoralisch bezeichnen. (Ökonomen nennen ein solches Verhalten schlicht "individuell rational")
2. Manche Kühe sehen gar kein Tageslicht mehr, weil all dies als Verschwendung betrachtet wird. Ich muss das nicht weiter kommentieren. 1b soll sich fragen, ob er*sie DAS WIRKLICH MITTRAGEN MÖCHTE
Ergo: Käse und Fleisch sind hochgradig weiterverarbeitete Produkte und nach dieser Definition als Luxus zu bezeichnen. Denn man könnte sich ja auch von der Milch selbst ernähren, und auf Käse verzichten.
I. Ich möchte auf die Ausgangsbetrachtung zurückkommen.
Die CDU nennt die Besteuerung von Luxusprodukten mit der für Luxusprodukte vorgesehenen Ziffer eine
"Strafsteuer"
Eine solche Formulierung ist an Polemik nicht zu übertreffen. Steuern sind per Def niemals Strafen. Strafen werden zwangsweise verhängt, während Steuern unabdingbare Abgaben für Produkte sind, deren Erwerb Jedermann*frau
FREI
steht.
Ich, als Landwirt wünsche mir hier mehr Ehrlichkeit von den Politikern. Es lohnt sich. Das Klima liegt in unserer Hand!
Euer Gastautor
Martin Biber *
*Klarname
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