Strafbarkeitsrisiken des Arbeitgebers in der Pandemie
Zusammenfassung von Janik Hauser
A. Einführung
Der Schock der Pandemie sitzt tief. Arbeitgeber mussten quasi über Nacht über tiefe Einschnitte in ihre Arbeitsorganisation entscheiden, Anträge auf Hilfsleistungen stellen und auf neue gesetzliche Anforderungen reagieren. Ob die im Eifer des Gefechts übermittelten Angaben zu Kurzarbeit, Sofortkrediten und anderen Hilfsmaßnahmen korrekt waren, wird sich spätestens bei der nächsten Betriebsprüfung herausstellen. Gleichermaßen muss sich zeigen, ob sich Arbeitgeber im „Ramp-up“ richtig aufgestellt haben und den neuen Anforderungen an einen erhöhten Arbeitsschutz gerecht werden. Versagt das Management, drohen in beiden Fällen erhebliche Strafbarkeits- und Haftungsrisiken, die der folgende Beitrag untersucht.
B. Strafrechtliche Risiken im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeit
Plötzlicher Auftragsstopp, kein einziger Kunde mehr oder keine Ware vom Zulieferer. Die Gründe für den in Deutschland erlebten, branchenübergreifenden Arbeitsausfall im März und April waren verschieden, der Effekt überall gleich. Die Situation mit zu vielen Arbeitnehmern bei zu wenig Arbeit führte dazu, dass Arbeitgeber reihenweise Kurzarbeit anmeldeten. Mit Stand Ende April waren es bereits 751.000 Betriebe und 10,1 Mio. Arbeitnehmer, die zur Kurzarbeit übergegangen sind. Im Vorjahr gingen im April nur 1.247 Anzeigen über Kurzarbeit ein. Die Massenflucht in die staatliche Subventionierung wegen des vorübergehenden Arbeitsausfalls wurde bei den Antragstellern bestenfalls begleitet von einer sorgfältigen Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen und ordnungsgemäßer Antragstellung. Realistischer ist jedoch, dass sich vielerorts eine „kreativere“ Schaffung von Voraussetzungen für Kurzarbeit abgespielt hat.
I. Arbeitsrechtliche Voraussetzungen für Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld
1. Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld in der Pandemie
In Windeseile wurden neue Grundlagen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes geschaffen. Am 14.3.2020 trat das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ in Kraft. Ferner erließ die Bundesregierung am 23.3.2020 eine entsprechende Kurzarbeitergeld-Verordnung (KugV). Schließlich wurden mit dem „Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2“ am 27.3.2020 sowie am 23.4.2020 Sozialschutz-Pakete verabschiedet. Im Wesentlichen wurde hiermit Folgendes rückwirkend zum 1.3.2020 (§ 4 KugV) geändert: Kurzarbeitergeld kann leichter gewährt werden (§ 1 KugV). Ausreichend ist, dass 10 % der Mitarbeiter vom Arbeitsausfall betroffen sind, statt vorher mindestens 30 %. Nicht mitzuzählen sind Auszubildende und länger als 6 Monate Erkrankte. Geringfügig sozialversicherungsfrei Beschäftigte („Mini-Jobber“) hingegen zählen mit. Die von Arbeitgebern zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden werden vollständig erstattet (§ 2 KugV). Auch Leiharbeitnehmer können nun Kurzarbeitergeld erhalten (§ 3 KugV).
2. Voraussetzungen Kurzarbeit
Kurzarbeit ist die vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zur vereinbarten Arbeitszeit. Durch Senkung der Personalkosten soll es langfristig möglich sein, den Betrieb und damit Arbeitsplätze zu erhalten bzw. Kündigungen zu vermeiden. Kurzarbeit muss nicht für den gesamten Betrieb angeordnet werden. Es können nur einzelne Abteilungen betroffen sein (§ 97 S. 2 SGB III). Bei den jeweiligen Arbeitnehmern kann die Arbeitszeit in unterschiedlichem Umfang gekürzt werden. Die Anordnung von Kurzarbeit ist nicht einseitig gegen den Willen des Arbeitnehmers z. B. im Wege des Direktionsrechts möglich. Es bedarf einer Vereinbarung sowie der Zustimmung des Betriebsrates, falls ein solcher vorhanden ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Eine Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit kann in einer wirksamen Klausel in einem Tarifvertrag oder in einem Arbeitsvertrag liegen. Überwiegend wird Kurzarbeit im Wege der Betriebsvereinbarung angeordnet (§ 77 Abs. 2 BetrVG), die inhaltlichen Mindestanforderungen gerecht werden muss. Erforderlich ist die Angabe von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, Verteilung der Arbeitszeit und Benennung der betroffenen Arbeitnehmer. Für leitende Angestellte iSv § 5 Abs. 3 BetrVG gilt die Betriebsvereinbarung nicht. Für diese können Arbeitszeit und Gehalt nur mittels (befristeter) individueller Vereinbarungen gekürzt werden.
Schließlich bedarf es noch der Anzeige durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat bei der zuständigen Agentur für Arbeit (AfA), (§ 99 SGB III). Diese kann allerdings noch bis zum letzten Tag des jeweiligen Monats rückwirkend für den ganzen Kalendermonat erfolgen.
3. Anspruch auf Kurzarbeitergeld
Während der Kurzarbeit zahlt der Arbeitgeber nur noch in reduzierter Höhe Gehalt an den Arbeitnehmer. Es greift der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn. Der Arbeitnehmer hat anstelle des ausgefallenen Lohns allerdings Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn die Voraussetzungen des § 95 SGB III vorliegen. Inhaber des Anspruchs ist also der Arbeitnehmer, er ist aber nicht selbst anzeige- bzw. antragsberechtigt, sondern überlässt dies dem Arbeitgeber bzw. dem Betriebsrat. Der Arbeitgeber geht üblicherweise in Vorleistung und zahlt das von ihm berechnete Kurzarbeitergeld am Ende des Monats an den Mitarbeiter zusammen mit dem gekürzten Gehalt aus, sofern nicht in „Kurzarbeit 0“ gearbeitet wurde. Der Arbeitgeber stellt innerhalb von drei Monaten nach Auszahlung einen Erstattungsantrag bei der AfA und trägt somit allein das Risiko, wenn sich bei der Prüfung durch die Arbeitsagentur herausstellt, dass die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld nicht vorlagen und eine Erstattung daher nicht erfolgen kann.
Für die Berechnung des Erstattungsanspruchs muss der Arbeitgeber der AfA alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Grundlage für die Einführung der Kurzarbeit lückenlos zutreffend ist. Wurde zwischen tariflichen, außer- und übertariflichen Arbeitnehmern differenziert? Wurde berücksichtigt, dass leitende Angestellte nicht der Betriebsvereinbarung, die Kurzarbeit einführt, unterfallen? Ist die Kurzarbeit unterbrochen worden und ist aufgrund einer mehr als dreimonatigen Unterbrechung eine neue Anzeige über Arbeitsausfall notwendig (§ 104 Abs. 3 SGB III)?
Im Antrag sind Namen, Anschriften und Sozialversicherungsnummer mitzuteilen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld sind nachzuweisen (§ 320 Abs. 1 SGB III). Nach Antragstellung prüft die AfA, ob ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall sowie die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen vorliegen und der Arbeitsausfall der AfA angezeigt wurde. Ein erheblicher Arbeitsausfall gemäß § 96 SGB III liegt nach der Bundes-AfA derzeit vor, wenn ein Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung vorübergehend geschlossen wird oder das Geschäft wegen des COVID 19-Virus wegfällt und deshalb die Arbeitszeit verringert werden muss. COVID 19 muss jedenfalls überwiegend kausal für den Arbeitsausfall sein. Eine vorbeugende Quarantäne auf Anordnung des Arbeitgebers oder ein rein finanzieller Schaden reichen nicht. Der Arbeitsausfall muss zudem unvermeidbar sein, das heißt es müssen vorrangig Urlaub und Überstunden abgebaut werden. Als Maßnahme zur Vermeidung der Kurzarbeit zählt z. B. die Umstellung der Modeindustrie auf Atemmaskenproduktion oder von Kosmetika bzw. Alkoholika auf Desinfektionsmittel.
Für die persönlichen Voraussetzungen muss eine versicherungspflichtige Beschäftigung bestehen (§ 98 Abs. 1 SGB III). Um die betrieblichen Voraussetzungen zu erfüllen, muss mindestens ein Mitarbeiter im betroffenen Betrieb bzw. Betriebsteil sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein (§ 97 SGB III). Zu Problemen kann es beispielsweise bei der Betroffenheit kommen. Sind wirklich alle als Betroffene benannten Arbeitnehmer von dem Arbeitsausfall erfasst? Wurden die Schwellenwerte korrekt berechnet? Häufig kommt es hier zu Unklarheiten, wenn z. B. einzelne Mitarbeiter „historisch bedingt“ einer Abteilung zugeordnet sind, aber gänzlich andere Tätigkeiten verrichten. Ein weiteres Risiko birgt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Verteilung der Kurzarbeit kann sachwidrig sein, wenn ein „Low Performer“ auf 100 % Kurzarbeit gesetzt wird, während ein „High Performer“ nur zu 20 % kurzarbeitet.
Anträge auf Kurzarbeitergeld werden derzeit in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren bearbeitet, die eine Bescheidung in der Regel innerhalb von 15 Tagen möglich machen. Die Zahlung erfolgt allerdings nur im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung gem. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Erst das Ergebnis der Abschlussprüfung führt zu einer endgültigen Entscheidung, die schriftlich mitgeteilt wird. Erst dann ist das Verfahren rechtssicher abgeschlossen. Um Rückzahlungs- und Strafbarkeitsrisiken (siehe dazu unter II.) zu vermeiden, sollten deshalb Arbeitszeitnachweise und Lohnabrechnungen der betroffenen Mitarbeiter ausführlich dokumentiert werden.
4. Dauer und Höhe des Kurzarbeitergeldes
Grundsätzlich kann Kurzarbeitergeld für 12 Monate bezogen werden. Bei Unterbrechungen von mindestens einem Monat verlängert sich der Bezugszeitraum entsprechend (§ 104 SGB III). Mit der Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld (KugBeV) vom 16.4.2020, rückwirkend zum 31.1.2020 in Kraft getreten, kann der Bezugszeitraum auf bis zu 21 Monate verlängert werden (§ 1 KugBeV). Die Höhe des Kurzarbeitergeldes läuft parallel zur Höhe des Arbeitslosengeldes. Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind erhalten 67 % des pauschalierten Nettoentgelts; alle übrigen erhalten 60 % (§ 105 SGB III). Das vom Bundeskabinett am 29.4.2020 beschlossene „Sozialschutzpaket II“ sieht vor, ab dem 4. Monat in Kurzarbeit 70 bzw. 77 %, ab dem 7. Monat dann 80 bzw. 87 % der Nettoentgeltdifferenz zu zahlen. Die Regelung soll jedoch längstens bis 31.12.2020 gelten.
Für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes gilt die Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung. 2020 liegt diese bei 6.900 € monatlich im Westen und 6.450 € monatlich im Osten. Gerade Geringverdiener trifft die Kurzarbeit finanziell besonders. Der Arbeitgeber kann das Kurzarbeitergeld ganz oder teilweise freiwillig aufstocken. In Tarifverträgen sind häufig Aufstockungsregelungen enthalten. Eine außerhalb von Tarifverträgen vereinbarte Aufstockung muss nicht allen Mitarbeitern gewährt werden. Der Arbeitgeber darf allerdings nicht sachwidrig differenzieren, anderenfalls haben auch die nichtberücksichtigten Arbeitnehmer Anspruch auf Aufstockung. Eine Aufstockung kann bspw. dazu dienen, Arbeitnehmer zur Zustimmung zu einer Einführung von Kurzarbeit zu motivieren.
5. Zusammenfassung Kurzarbeitergeld
Arbeitgeber, die Kurzarbeit einführen und dabei staatliche Unterstützung in Form von Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen wollen, müssen zusammengefasst beachten, dass a) ein vorübergehender Arbeitsausfall von mind. 10 % vorliegt, der bei der AfA angezeigt wird, b) die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld vorliegen, c) eine Rechtsgrundlage (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) für Kurzarbeit existiert, d) alle Alternativen zur Kurzarbeit ausgeschöpft wurden, e) Dauer, Umfang und Verteilung der Arbeitszeitreduzierung festgelegt und dokumentiert werden und f) die Kurzarbeit gegenüber der Belegschaft angezeigt wurde. Spiegelbildlich empfiehlt es sich für Arbeitgeber, auch nach Durchführung und staatlicher Förderung von Kurzarbeit die rechtmäßige Antragstellung und Umsetzung der Kurzarbeit zu überprüfen. Zwischen vorläufiger Bescheidung der AfA und Abschlussprüfung verbleibt ausreichend Zeit, etwaige Fehler aufzuklären und zu bereinigen, um empfindliche Folgen – dazu sogleich – zu vermeiden.
II. Strafbarkeitsrisiken im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld
Der Missbrauch von staatlichen Krisenmitteln birgt enorme Strafbarkeitsrisiken und es ist zu erwarten, dass die Strafverfolgungsbehörden in Verdachtskonstellationen entsprechende Ermittlungsverfahren einleiten werden. Bereits im Nachgang der Bank- und Finanzkrise von 2008 haben die Staatsanwaltschaften gezeigt, dass die missbräuchliche Beantragung von Kurzarbeitergeld strafrechtlich konsequent aufgeklärt wird. Dies wird bei „Corona-Delikten“ nicht anders sein, zumal die Aufklärung der vermeintlichen Ausnutzung einer allgemeinen Notlage und der daraus resultierenden staatlichen Unterstützung zu eigenen Gunsten vonseiten der Politik Unterstützung finden dürfte. Bereits im Zusammenhang mit der Bankenkrise 2008 gab es Fälle, in denen Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen wurde, obwohl Mitarbeiter bei voller Auslastung weiterbeschäftigt wurden. Bedenken der Mitarbeiter gegen dieses Vorgehen sollen mit Andeutung einer Kündigung quittiert worden sein.
1. Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs (§ 264 StGB)
Wer bei dem Antrag auf Rückerstattung des Kurzarbeitergeldes gegenüber der Bundes-AfA leichtfertig falsche oder unvollständige Angaben zu den für die Auszahlungsvoraussetzungen relevanten Tatsachen macht, setzt sich dem Risiko der Verfolgung wegen Subventionsbetrugs gem. § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB aus. Insbesondere die Angaben zum Auftragsrückgang und der daraus resultierenden Reduzierung der Auslastung der Mitarbeiter erscheinen dabei besonders anfällig für falsche oder unvollständige Angaben. Aussagen dazu, ob der Arbeitsausfall nur vorübergehend ist oder der Betrieb ganz oder zum Teil nicht wieder aufgenommen werden kann, sind gerade in Fällen, in denen die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bereits vor der Corona-Krise angespannt war, schwierig zu treffen.
Höchstrichterlich noch nicht entschieden ist die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Prognose der Fortbeschäftigung abzustellen ist. Gem. § 99 Abs. 1, 3 SGB III ergeht „unverzüglich“ nach der Anzeige zunächst ein Bescheid u.a. darüber, ob ein erheblicher Arbeitsausfall iSv § 96 SGB III vorliegt und damit auch, ob der Arbeitsausfall vorübergehend ist. Die Entscheidung über das „Ob“ der Berechtigung fällt damit bereits „unverzüglich“ nach der Anzeige. Dies spräche dafür, auf den Zeitpunkt der Anzeige abzustellen. Andererseits wird die Höhe des Kurzarbeitergeldes erst am Ende des Anspruchszeitraums aus der Differenz zwischen dem Soll- und dem Ist-Entgelt berechnet. Ist diese Differenz „Null“, erfolgt keine Auszahlung. Letzteres spräche dafür, auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Im Ergebnis ist aber aus Vorsichtsgründen davon auszugehen, dass beide Zeitpunkte für die Beurteilung gem. § 264 StGB relevant sind. Denn gem. § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB sind subventionserhebliche Tatsachen sowohl solche, die für die Bewilligung (§ 99 Abs. 3 SGB III) als auch für die eigentliche Gewährung relevant sind.
Gerade bei gestreckten Sachverhalten, bei denen Anzeige und Antrag zeitlich auseinanderliegen, sind daher folgende Konstellationen zu unterscheiden:
• Zwischen der Anzeige der Kurzarbeit und der Beantragung der Rückerstattung des Kurzarbeitergeldes verbessert sich die wirtschaftliche Lage; es wird kein Antrag gestellt: § 264 StGB greift nicht.
• Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zwischen Anzeige und Antrag; dabei steht fest, dass der Betrieb insgesamt oder in konkreten Teilen nicht fortgeführt werden kann: In diesen Fällen fehlt es im Zeitpunkt der Stellung des Erstattungsantrags an einer Voraussetzung für das Kurzarbeitergeld. Der Antrag ist falsch, wenn er die fehlende Aussicht auf Fortbeschäftigung nicht erwähnt.
• Die Lage verschlechtert sich zwischen Anzeige und Antrag; es steht fest, dass Restrukturierungsmaßnahmen (Entlassungen, Schließung von Standorten oder Werken) getroffen werden müssen, aber noch nicht, welche Arbeitnehmer, Standorte oder Werke dies betrifft: In diesen Fällen wird ein Antrag auf Rückerstattung weiterhin zulässig sein; er ist nicht falsch. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Kurzarbeitergeld „teilbar“ ist und nur für bestimmte Betriebsteile beantragt werden kann. Dem entsprechend muss sich die Negativprognose auf den Bereich, für den die Rückerstattung beantragt wird, konkretisiert haben. Hierfür spricht die Wertung des § 19 KSchG. Danach darf der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen, auch wenn er (allgemein) angezeigt hat, dass er eine anzeigepflichtige Entlassung beabsichtigt. In diesem Fall steht fest, dass eine Maßnahme durchgeführt wird; dennoch ermöglicht das Gesetz explizit die Anordnung von Kurzarbeit.
Wichtig ist es daher bei Antragstellung, die Entscheidungsgrundlage und die der Prognose zugrunde liegenden Abwägungen zu dokumentieren und gegenüber der AfA zu jedem Zeitpunkt offenzulegen.
Der Tatbestand des Subventionsbetrugs ist dabei im Vergleich zum Betrug gem. § 263 StGB an verhältnismäßig niedrige Voraussetzungen geknüpft: Der Eintritt eines Schadens ist nicht erforderlich. Es genügt die leichtfertige Begehung. Erforderlich – aber auch ausreichend – ist danach eine besondere Gleichgültigkeit oder grobe Unachtsamkeit. Ob in Anbetracht des wirtschaftlichen Drucks und der schnellen Reaktion des Arbeitgebers zur Abwendung von Nachteilen eine grobe Unachtsamkeit bei Erstellung des Antrags auf Kurzarbeitergeld vorlag, ist Tatfrage und wird vermutlich mit großem zeitlichen Abstand zur Krise und nach gründlicher Beurteilung der Gesamtumstände durch die Ermittlungsbehörde berücksichtigt werden. Wie im gesamten Wirtschaftsstrafrecht ist zu befürchten, dass das Verständnis für „im Eifer des Gefechts“ gemachte Fehler mit zunehmendem Zeitablauf sinkt.
Entscheidende Weichenstellung dafür, ob ein Subventionsbetrug oder ein Betrug gem. § 263 StGB anzunehmen ist, ist die Frage, ob das Kurzarbeitergeld überhaupt als Subvention iSd § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB zu qualifizieren ist. Höchstrichterliche Entscheidungen liegen dazu, soweit ersichtlich, noch nicht vor. Zum Teil wird argumentiert, dass die Gewährung von Kurzarbeitergeld lediglich eine sog. Subventionsmittelung darstellt, die § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB nicht unterfällt. Zwar wird das Kurzarbeitergeld an den Arbeitgeber gezahlt, dieses wird aber von ihm an den Mitarbeiter weitergeleitet, sodass keine unmittelbare Leistung an den Betrieb und somit keine Förderung der Wirtschaft vorliegt.
Die Gegenmeinung stellt entscheidend darauf ab, dass das gesamte Antragsverfahren in der Hand des Arbeitgebers liegt, welcher ungeachtet des ebenfalls bestehenden Interesses des Arbeitnehmers ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse an dem Krisenmittel hat. Denn nach §§ 326 Abs. 2, 293 BGB schuldet der Arbeitgeber auch dann den vollen Arbeitslohn, wenn er den Arbeitnehmer nicht im vereinbarten Umfang auslasten kann. Es soll damit eine Leistung „an“ den Betrieb vorliegen.
Zwar ließe sich argumentieren, die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes an den Arbeitgeber sei lediglich ein formaler Zwischenschritt einer Auszahlung, die letztlich dem Arbeitnehmer zugutekommt. Dies wäre verkürzt. Denn das wirtschaftliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebs und der (vorübergehenden) Reduzierung der Betriebsausgaben bei gleichbleibender Arbeitskraft ist zumindest auch im Interesse des Arbeitgebers. Die Vorleistungspflicht des Arbeitgebers spricht für ein eigenes Interesse des Arbeitgebers an der Bewilligung des Kurzarbeitergeldes. Nach der Rspr. des 3. Strafsenats genügt es, wenn bei der Vergabe von Fördermitteln mehrere Zwecke verfolgt werden, dass die Zahlung „wenigstens zum Teil“ der Wirtschaftsförderung dienen soll. Lediglich ein ganz entfernter Bezug zur Wirtschaft soll nicht genügen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Strafverfolgungsbehörden das Kurzarbeitergeld als Subvention iSd § 264 Abs. 7 StGB behandeln werden.
Folgt man dieser Einschätzung, sind die innerbetrieblichen Maßnahmen mit der Antragstellung nicht abgeschlossen. Werden im Rahmen der internen Prüfungen Fehler bei der Antragstellung festgestellt, können durch eine nachträgliche Korrektur des Antrags bis zum Zeitpunkt der Auszahlung des Kurzarbeitergeldes die Voraussetzungen eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes gem. § 264 Abs. 5 StGB erfüllt werden.
Zu beachten ist, dass sich nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch Arbeitnehmer als (Mit-)Täter oder Teilnehmer des (Subventions-)Betrugs strafbar machen können, wenn sie die Stellung unrichtiger oder unvollständiger Anträge unterstützen. Gegenüber den Mitarbeitern sollte bereits der Eindruck vermieden werden, dass diese zu falschen Angaben über die Arbeitszeit oder die Auslastung aufgefordert werden. Vielmehr empfiehlt es sich, die Mitarbeiter über mögliche Konsequenzen falscher Angaben für das Unternehmen und involvierte Personen zu informieren.
2. Strafbarkeit wegen Betrugs (§ 263 StGB)
Selbst wenn die Rspr. das Kurzarbeitergeld nicht als Subvention ansehen sollte, können falsche oder unvollständige Angaben bei der Beantragung des Kurzarbeitergeldes zur Strafbarkeit führen. Dabei ist selbst bei „Massenverarbeitung“ der Anträge und praktisch stark beschleunigten Verfahren von einer Plausibilisierung der Anträge und damit von einem sachgedanklichen Mitbewusstsein der Mitarbeiter der AfA auszugehen. In der Verringerung von zweckgebundenen Mitteln in öffentlichen Haushalten bei gleichzeitiger Verfehlung des sozialpolitischen Zwecks, durch die missbräuchliche Beantragung von Kurzarbeitergeld, kann ein Vermögensschaden der zuständigen Behörden gesehen werden. Im Unterschied zum Subventionsbetrug setzt der Betrug gem. § 263 StGB (bedingten) Vorsatz voraus.
3. Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266 a StGB) und Steuerhinterziehung (§ 370 AO)
Wird Kurzarbeit zu 100 % eingeführt, ist der Arbeitgeber auch von der Verpflichtung zum Einbehalt und Abführung des Arbeitgeberanteils der Sozialversicherungsbeiträge entbunden. Daher droht keine Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266 a StGB).
Anders dürfte es sich in den Konstellationen verhalten, wenn Arbeitnehmer über den Umfang der Kurzarbeit hinaus weiterarbeiten, ohne dies zu dokumentieren. Denn der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass Arbeitnehmeranteile auch dann abzuführen sind, wenn ein zustehender Lohn nicht ausgezahlt wird (sog. Lohnpflichttheorie). Werden indes Arbeitsentgelte für solche nicht aufgezeichneten Stunden „schwarz“ gezahlt, droht neben dem (Subventions-)Betrug der Vorwurf der (Lohn-)Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und des § 266 a StGB („Schwarzaufstockung des Lohns“).
4. Nötigung/Erpressung
Mit steigendem wirtschaftlichen Druck sinkt regelmäßig die Hemmschwelle, Maßnahmen betriebsintern „durchzudrücken“ und „Bedenkenträger“ im Unternehmen unter Druck zu setzen, damit diese die angeordneten Maßnahmen mittragen. Zu beachten ist, dass die Andeutung einer arbeitsrechtlichen Sanktion gegenüber Arbeitnehmern, die sich weigern, Arbeitszeiten nicht oder falsch zu erfassen, bereits die Voraussetzungen einer Nötigung (§ 240 StGB) oder Erpressung (§ 253 StGB) erfüllen dürfte.
5. Zwischenfazit
Die Anforderungen an den Arbeitgeber in der Krise sind hoch. Er hat nicht nur die Wirtschaftlichkeit und im worst-case den Fortbestand des Unternehmens sicherzustellen. Er muss – häufig binnen kürzester Zeit – die wirtschaftliche Lage des Unternehmens prüfen, dokumentieren und daraus resultierende Maßnahmen gegenüber den Mitarbeitern vertreten. In dieser Gemengelage wird es häufig zu (Arbeits-)Fehlern kommen, die im Nachhinein in der Bearbeitung durch Strafverfolgungsbehörden als vorsätzliche oder leichtfertige Falschangabe angesehen werden könnten.
Um durch diese schwierige Situation zu navigieren, empfiehlt sich eine gründliche Dokumentation der gewonnenen Erkenntnisse und der getroffenen internen und externen Maßnahmen, Aussagen und Anträge. Obwohl die Dokumentation eine zusätzliche Belastung darstellt, kann diese wichtige Verteidigungsansätze liefern und vor unberechtigten Vorwürfen schützen. Spätestens wenn nach der Krise personelle Maßnahmen erforderlich werden sollten, ist mit einem weiteren Anstieg der Ermittlungsverfahren zu rechnen, die auf Anzeigen entlassener Mitarbeiter zurückzuführen sind oder aus arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen resultieren.
III. Rechtsfolgen – auch nach erfolgter Leistungsgewährung
Weit überwiegend gelingt es den AfA bereits während der Pandemie, Anträge auf Leistungen der Agentur zügig zu bearbeiten und Leistungen zu gewähren. Allerdings bedeutet eine Auszahlung von Kurzarbeitergeld nicht, dass die Voraussetzungen vollständig geprüft und „freigezeichnet“ wurden. Es ergehen lediglich vorläufige Entscheidungen gem. § 328 Abs.1 Nr. 3 SGB III. Die für eine verbindliche Rechtslage erforderlichen Abschlussprüfungen finden oft erst viele Monate, meist Jahre nach dem Leistungszeitraum statt – also in etwa dann, wenn sich die öffentlichen Kassen regenerieren müssen und potenzielle Schuldner wieder Liquidität ansammeln konnten. Wird bei einer solchen Abschlussprüfung festgestellt, dass der Antragsteller unwahre Angaben gemacht und infolgedessen Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge falsch abgeführt hat, kann dies zu einer rückwirkenden Aufhebung des Bescheids über die Leistungsgewährung führen.
Im Falle einer rückwirkenden Aufhebung müssen sämtliche Leistungen rückabgewickelt sowie ggf. Säumniszuschläge gezahlt werden. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keine Leistungen von seinen Arbeitnehmern zurückfordern kann. Nur unter engen Voraussetzungen ist eine Rückforderung möglich. Mithin trägt der Arbeitgeber das volle finanzielle Risiko.
Die vorgenannten Straftaten werden typischerweise vom Arbeitgeber als Antragsteller bzw. Verpflichtetem begangen. Damit werden im Regelfall die Eingangsvoraussetzungen einer Unternehmensgeldbuße gem. § 30 OWiG, namentlich die betriebsbezogene Begehung einer Straftat durch eine Leitungsperson (§ 30 Abs. 1 OWiG), vorliegen. Darüber hinaus werden regelmäßig die Voraussetzungen der (Dritt-)Einziehung des aus der Straftat Erlangten gem. §§ 73, 73 b StGB vorliegen, weil ein Handeln für das Unternehmen vorliegt und das Unternehmen durch die Tat einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat. In beiden Fällen kann das durch die Tat „Erlangte“ nachträglich abgeschöpft werden. Zu beachten ist aber, dass der an die AfA im Rahmen einer Rückabwicklung der gewährten Vorteile zurückbezahlte Betrag nicht zwei Mal abgeschöpft werden kann. Der kurzfristige Vorteil durch Wahrung der Liquidität des Unternehmens kann sich daher im Nachhinein rächen und den Fortbestand des Unternehmens selbst nach vermeintlich überstandener Krise infrage stellen. Der Reputationsschaden (Missbrauch der „Corona-Krise“ zu eigenen Zwecken) wird zudem erheblich sein.
C. Arbeitsschutzrecht
I. Arbeitsrechtliche Anforderungen
1. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 16.4.2020 den Arbeitsschutzstandard COVID 19 (SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard) veröffentlicht. Darin sind konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz formuliert, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz beim Hochfahren der Wirtschaft in Zeiten der Pandemie zu gewährleisten. Gleichzeitig soll ein exponentieller Wiederanstieg der Infektionszahlen verhindert werden. Die Verantwortung für die Umsetzung eines angemessenen Arbeitsschutzes liegt beim Arbeitgeber.
Im Wesentlichen ist Folgendes im Arbeitsschutzstandard COVID 19 geregelt: Abstandsgebot von mindestens 1,5 Metern, nach Möglichkeit Arbeit im Homeoffice, Mund-Nasen-Bedeckungen, Hygiene und Reinigung der Arbeitsstätten, Infektionsschutzmaßnahmen bei Außendiensten und Transportfahrten, Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen, Werkzeuge und Arbeitsmittel, Verringerung der Belegungsdichte, betriebliche Regelungen zur raschen Aufklärung von Verdachtsfällen auf eine COVID 19-Erkrankung.
2. Bedeutung des Standards
Bei dem Arbeitsschutzstandard COVID 19 handelt es sich weder um ein Gesetz noch um eine Verordnung. Vielmehr soll der neue Standard durch die arbeitsschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder und die Unfallversicherungsträger branchenspezifisch konkretisiert und ergänzt werden. Es handelt sich – jedenfalls derzeit – um einen Auslegungsstandard und eine Auslegungshilfe für den Arbeitgeber bei der Umsetzung des Arbeitsschutzes in Zusammenarbeit mit den Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten sowie – soweit vorhanden – Betriebsräten.
Zwar ist der neue Arbeitsschutzstandard nicht unmittelbar rechtsverbindlich, Unternehmen sollten sich trotzdem unbedingt bereits jetzt daran halten. Andernfalls drohen zusätzliche Compliance-Risiken durch arbeitsschutzrechtlichen Verwaltungsvollzug (bspw. Anordnungen und Untersagungen), Ordnungswidrigkeiten und Straftaten sowie Schadensersatzansprüche von Arbeitnehmern (§ 618 BGB). So ist bei einer behördlichen Überprüfung davon auszugehen, dass bei Nichtbeachtung der Standards eine Verletzung von Fürsorgepflichten des Arbeitgebers angenommen wird. Der Arbeitgeber ist im Rahmen dieser Fürsorgepflichten nach § 618 Abs. 1 BGB, §§ 3-5 ArbSchG gehalten, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderli- chenfalls an sich ändernde Gegebenheiten anzupassen (§ 3 Abs. 1 S. 2 ArbSchG). Darüber hinaus legt § 4 Nr. 1 ArbSchG für die Gestaltung der Arbeit fest, dass eine Gefährdung der Gesundheit möglichst gering zu halten ist. Es handelt sich hierbei um umfassende und sich ständig fort- und weiterentwickelnde Organisationspflichten des Arbeitgebers. Wird dabei als Bestandteil des Arbeitsschutz- und Compliance-Managements der Arbeitsschutzstandard COVID 19 berücksichtigt, ist davon auszugehen, dass jedenfalls die Compliance-Risiken im Hinblick auf notwendige Infektionsschutzmaßnahmen im Betrieb minimiert werden können. Bei Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen ist auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (§ 87 BetrVG) zu achten.
3. Rechtsverordnungen der Länder
Darüber hinaus haben die Bundesländer diverse Rechtsverordnungen zur Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes (InfSchG) erlassen, die sich ebenfalls auf die Pflichten des Arbeitgebers auswirken können. Neben der Anordnung zur Schließung von Betrieben bestimmter Branchen werden darin auch Verhaltensregeln für den Betrieb der weiterhin geöffneten Betriebe aufgestellt. Allein Hessen hat bis zum 30.4.2020 sechs „Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus“ veröffentlicht, die unter anderem die Quarantäne nach Einreise aus dem Ausland – Dienstreisen –, die Einhaltung des Mindestabstandes und das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und Zutrittsbeschränkungen regeln.
II. Bußgeldtatbestände und Strafbarkeitsrisiken
In diesem Zusammenhang können sich Risiken für strafbares und ordnungswidriges Verhalten aus §§ 25, 26 ArbSchG, aber auch aus §§ 73-75 IfSG ergeben. Die Vorschriften richten sich in der Regel an den Arbeitgeber, sehen aber zum Teil ausdrücklich die Bebußung des Arbeitnehmers vor.
Sowohl die Bußgeldvorschrift in § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG als auch § 73 Abs. 1 a Nr. 24 IfSG enthalten Rückverweisungsvorschriften, greifen also u. a. dann, wenn einer Rechtsverordnung zuwidergehandelt wird, die auf die Bußgeldvorschrift verweist. In beiden Fällen genügt die fahrlässige Begehung. Das Höchstmaß des Bußgeldrahmens ist identisch (max. 25.000 €).
Ob die auf Grundlage des IfSG oder ArbSchG erlassenen Verordnungen oder Einzelanordnungen ihrerseits rechtmäßig sind, ist im Rahmen eines Strafverfahrens durch den Richter zu überprüfen. Die Verordnungen und Anordnungen müssen jedoch eingehalten werden, selbst wenn sie aus Sicht des betroffenen Arbeitgebers (offensichtlich) rechtswidrig sind. In diesem Fall ist eine gerichtliche Klärung herbeizuführen und dokumentierter, auf voller Tatsachengrundlage erteilter, objektiver Rechtsrat eines verlässlichen Gutachters bezogen auf den Einzelfall einzuholen. Dieser Rechtsrat muss klar unrechtsverneinend sein. Anderenfalls wird die Verteidigung mit einem Verbotsirrtum gem. § 17 StGB in einem etwaigen Strafverfahren nicht möglich sein.
1. §§ 25, 26 ArbSchG
Soweit ersichtlich, ist zum Zeitpunkt der Bearbeitung dieses Beitrags keine auf § 18 Abs. 1 oder § 19 ArbSchG gestützte Rechtsverordnung erlassen worden, sodass eine Ordnungswidrigkeit gem. § 25 Abs. 1 ArbSchG nur im Falle einer vollziehbaren Anordnung infrage käme. Bei dem Arbeitsschutzstandard handelt es sich um eine Empfehlung, nicht aber um eine Rechtsverordnung.
Strafbar gem. § 26 Nr. 1 ArbSchG handelt der Arbeitgeber, wenn er einer vollziehbaren Anordnung im Einzelfall beharrlich wiederholt zuwiderhandelt. Voraussetzung ist zunächst eine dem Arbeitgeber bekanntgegebene Anordnung.
Sobald eine auf § 18 Abs. 1 oder § 19 ArbSchG beruhende Rechtsverordnung oder eine Anordnung erlassen wurde, ist seitens des Arbeitgebers besondere Sorgfalt geboten, da im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes die Gefährdung der Gesundheit eines Beschäftigten ausreicht, um die Strafbarkeit gem. § 26 Nr. 2 ArbSchG zu begründen. Die Schwelle zur Strafbarkeit ist in Fällen der unterlassenen Umsetzung erforderlicher Maßnahmen besonders niedrig, da bei Kenntnis der gesetzlichen Pflichten ein bedingt vorsätzliches Handeln angenommen werden könnte.
Entsprechende Maßnahmen hat das BMAS bereits angekündigt und hierfür einen „Corona-Arbeitsschutzstab“ eingerichtet, der Schutzstandards implementieren und fortentwickeln soll.
2. §§ 73 ff. IfSG
Weitere Risiken einer Ordnungswidrigkeit oder gar Strafbarkeit ergeben sich aus §§ 73 ff. IfSG. Dabei definiert § 73 IfSG zunächst die Ordnungswidrigkeiten bei Verstoß gegen die im Einzelnen geregelten Ge- und Verbote. Führen bestimmte Verstöße gegen die in § 73 IfSG genannten Pflichten zur Verbreitung der Krankheit oder des Krankheitserregers, kann dies die Strafbarkeit gem. § 74 IfSG begründen. Praktisch herausfordernd wird insofern sicherlich der Nachweis des kausalen Zusammenhangs zwischen dem Pflichtverstoß und der Verbreitung der Krankheit bzw. des Erregers. Aus dem Katalog der Straftaten gem. § 75 Abs. 1 IfSG dürfte vor allem die (vorsätzliche) Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung gem. §§ 28 oder 30 Abs. 1 IfSG jeweils in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG praktische Relevanz haben; fahrlässiges Handeln kann hier zur Strafbarkeit führen (§ 75 Abs. 4 IfSG).
Die genannten Vorschriften sind von besonderer praktischer Relevanz. Grundlage der behördlichen Anordnungen ist regelmäßig § 28 IfSG, auf dessen Grundlage Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten getroffen werden können. Zudem haben die Landesregierungen umfassend von ihrer Kompetenz zum Erlass von Allgemeinverfügungen und Verordnungen gem. § 32 IfSG Gebrauch gemacht und dadurch ein teils unterschiedliches, ständig fortentwickeltes Regelungsgefüge entwickelt. Hinzu kommt, dass die erlassenen Allgemeinverfügungen häufig gezwungenermaßen „mit heißer Nadel gestrickt“ sind und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe enthalten, die für den Rechtsanwender zusätzlichen Auslegungsaufwand begründen. Hinzu kommt, dass die in den Allgemeinverfügungen der Länder zum Teil enthaltenen (dynamischen) Verweisungen auf Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) sowie der extrem kurze Vorlauf bis zum Inkrafttreten der Regelungen den Aufwand zur Bestimmung der Rechtslage und zur daraus resultierenden Anpassung der Maßnahmen zur Umsetzung in den betriebsinternen Abläufen weiter steigen lassen.
Am Beispiel der Hessischen Verordnungen finden sich Verweise auf die Bußgeldvorschrift in § 73 IfSG bspw. in § 4 der Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 13.3.2020, § 10 der Zweiten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 13.3.2020 und § 3 der Dritten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 14.3.2020. Besonders relevant dürften die Regelungen in § 4 der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 17.3.2020 sein. Darin wird u. a. der Verstoß gegen Regelungen zur Gewährleistung des Mindestabstandes und zur Bereitstellung von Mund-Nasen-Bedeckungen mit einem Bußgeld bedroht; ebenso der Verstoß gegen die Anordnung zur Betriebsschließung. Die in dieser Verordnung in § 4 Nr. 5 und 6 enthaltenen Verweise auf die Regelungen des RKI sowie deren Rechtsgrundlage bedürften – auch nach grundsätzlicher Anerkennung dynamischer Verweisungen – der vom BVerfG geforderten strengen Prüfung an den Voraussetzungen der Art. 80 und 103 Abs. 2 GG.
3. Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung
Neben den Vorschriften des IfSG und des ArbSchG sind selbstverständlich die Vorschriften des StGB zu beachten. Ungeachtet der Normqualität des Arbeitsschutzstandard des BMAS kann dieser zur Auslegung des Sorgfaltsmaßstabs im Rahmen der Fahrlässigkeit herangezogen werden und somit maßgeblich zur Beurteilung einer fahrlässigen Körperverletzung gem. § 229 StGB beitragen. Infiziert sich ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz mit dem Corona-Virus kann es zu einer Überprüfung der vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen am Arbeitsplatz kommen.
D. Fazit
COVID 19 hat binnen kürzester Zeit für die Einführung und Umsetzung bisher nicht vorhandener Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft aber auch zum Schutz von Arbeitgebern gesorgt. In einer Situation, in der gesunde Betriebe binnen weniger Wochen erhebliche Auftragsrückgänge erleiden müssen, gleichzeitig aber die permanente Anpassung der Arbeitsschutzbedingungen verlangt wird, ist der Arbeitgeber ganz erheblich gefordert. Die Früchte für die (vorübergehende) Rettung des Betriebs hängen dabei zum Teil tief und können in Notsituationen dazu verleiten, Anträge ohne die notwendige Gründlichkeit zu bearbeiten.
Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche, drohende Bußgelder und Abschöpfung bei den Unternehmen wegen Verstößen gegen Arbeitsschutz- und Infektionsschutzbestimmungen können zur erheblichen nachträglichen Belastung für das Unternehmen werden. Verwirklicht sich das Risiko, staatliche Förderungen wegen fehlerhafter Antragstellung oder Umsetzung der Kurzarbeit zurückzahlen zu müssen, wirkt dies in vielen Fällen existenzvernichtend. Wenn schon im Eifer des Gefechts nicht ausreichend Zeit blieb, die etwaige „kreative Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen“ zu verhindern, sollten deshalb jedenfalls jetzt im „Ramp-Up“ die Compliance-Bemühungen intensiviert werden, um das Unternehmen und seine Organe vor negativen Folgen zu schützen.
Danke liebe Katja / (NStZ 2020, 327 Rn. , beck-online)
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